Amén
Que te acoja la muerte
con todos tus sueños intactos.
Al retorno de una furiosa adolescencia,
al comienzo de las vacaciones que nunca te dieron,
te distinguirá la muerte con su primer aviso.
Te abrirá los ojos a sus grandes aguas,
te iniciará en su constante brisa de otro mundo.
La muerte se confundirá con tus sueños
y en ellos reconocerá los signos
que antaño fuera dejando,
como un cazador que a su regreso
reconoce sus marcas en la brecha.
Dass dich der Tod empfange
mit all deinen unversehrten Träumen.
Bei der Rückkehr einer tosenden Jugend,
zu Beginn der Ferien, die sie dir niemals gaben,
wird dich der Tod mit seinem ersten Rufen zeichnen.
Er wird dir die Augen zu seinen Wassern öffnen,
er wird dich einweihen in das beständige Wehen der anderen Welt.
Der Tod wird sich mit deinen Träumen mischen
und in ihnen wird er die Zeichen erkennen,
die er einst dort zurückließ,
wie ein Jäger, der auf seinem Heimweg
seine Spuren in den Furchen erkennt.
Der Wald als Lehrmeister der Verzweiflung
Gut, ich gebe es zu, der Wald wird in dem Gedicht von Álvaro Mutis mit keinem Wort erwähnt. Trotzdem erscheint er mir wie das Sinnbild von dem, was es audrückt. Amén, so ist es, lautet der Titel und es wird in den Versen eine Art "religiöser" Lebensgrundsatz postuliert, der für das Werk des kolumbianischen Dichters fundamental ist. Vom Tod ist die Rede, der in die Essenz eines "Du" eindringt, in ihm anwesend ist und es nicht mehr loslässt. Doch ist der Tod nichts parasitär Wütendes im Leibe des Menschen, sondern in ihm von Anfang an eingeschrieben, als etwas, das seinen Träumen und seinem Walten innewohnt.
Álvaro Mutis schreibt unter dem von ihm entwickelten Konzept der "desesperanza" - der Hoffnungslosigkeit - die jedoch nicht dem Leben abgeneigt ist. Vielmehr ist es ein Erkennen der Vergeblichkeit allen menschlichen Tuns, was jedoch nicht bewirkt, lebensverneinend zu wirken, sondern ganz im Gegenteil: Es gelte das Leben, so sinnlos es auch erscheinen mag, in vollen Zügen sinnlich auszukosten, sinnlich anzunehmen. Und hier erinnert das Konzept stark an den Existenzialismus, wie ihn Camus geprägt hat. Der Tod ist nun ein zentrales Element des "verzweifelten" hellsichtigen Menschen. Eine Art memento mori, das aber nicht an ein Jenseits glaubt, sondern an die Präsenz des Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt birgt ein kontinuierliches Scheitern, ein Niemalsankommen an einem Ziel, was aber nicht verhindert, sich Ziele zu setzen. Und an all diese Dinge erinnert uns der Tod, der uns hilft, die Mechanismen der Deseperanza zu verstehen.
So dann auch der erste Vers, der wie ein Wunsch daherkommt: ""dass dich der Tod empfange". "Mit all deinen unversehrten Träumen" zeigt an, dass er nicht im Subjekt zerstörerisch walten wird, sondern sich mit ihm verbindet. In diesem Sinne ist auch der achte Vers nicht als Gegensatz zu verstehen: "Der Tod wird sich mit deinen Träumen mischen". Die Träume können unversehrt bleiben, selbst wenn der Tod sich in ihnen einnistet. Schließlich ist es auch eine Ehre, von ihm gezeichnet zu werden, und dies in den Momenten der hoffnungsvollsten Lebensmomente - so z.B. der tosenden Jugend. Ein Moment der religiösen Einweihung klingt an; eine Einweihung in seine großen Wasser, in sein konstantes Wehen. Doch der Moment der Weihe ist nur die Weihe in das Erkennen eines Lebensprinzips. "Wie ein Jäger" erkennt der Tod seine Spuren im Subjekt, die er schon vormals in ihm hinterlassen hat. So ist es, dass er schon immer unser Begleiter ist, der Moment seines Erkennens aber einen weihevollen Moment darstellt. Es ist eben auch eine Einweihung in das Konzept der "Desesperanza", eine Einweihung in das Erkennen, dass unser Leben scheitern wird, ja von diesem Scheitern geprägt ist. Aber, um es noch einmal zu betonen, ist dies nicht negativ zu bewerten. Die "tosende Jugend" wird weiter tosen, auch wenn es die Verzweiflung der menschlichen Existenz erkennt.
Nun, und der Wald? Im gewissen Sinne ist er ein Lehrmeister der Verzweiflung. Das tosende Leben in ihm ist von ständigem Verwesen und Vergehen begleitet. Ein Mikrokosmos einer existentialistischen Weltsicht.