Der Duft der Hölle

Fängt man an, sich mit Pilzen zu beschäftigen, fällt einem bald auf, dass viele von ihnen einen sehr markanten Geruch besitzen. Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt. Von Rhababer, zu Stachelbeere, Aprikose, Zitrone, Sperma, Aas, Schokolade, Rettich, Geranien, Parfum, Erde, Ammoniak, Jod, Bittermandel, Mehl, Gurke, Champignon, Kohl, Rübe, Knoblauch, Honig, Fisch, Marzipan ist so ziemlich alles vertreten, und es würde mich nicht wundern, auch bald den Coca-Cola-Pilz - Agaricus cocacolanensis - zu finden. Einen Colastrauch gibt es ja zumindest schon.

Und der Vertreter dieses Beitrages- der Schwefelritterling (Tricholoma sulphureum) riecht wie sein Name schon sagt nach Schwefel. Aber heftig nach Schwefel. Diese Heftigkeit - am Rande erwähnt - kann aber noch gesteigert werden - wie mich der lila Mehlschirmling gelehrt hat. Der wird aber noch extra vorgestellt.

Der Name unseres Pilzes ist tatsächlich Programm. Angefangen bei der Farbe, die ich als Schwefelgelb bezeichnen würde und die den gesamten Fruchtkörper von Hut über die Lamellen bis zum Stiel prägt. Aufgehört bei seinem schwefeligen Geruch, der einem direkt in die Nase sticht. Ja, man kann ihn sogar wahrnehmen, wenn man in die Nähe einer Schwefelritteringsgruppe kommt. Selbst ohne Bücken und Lamellenquetschen gegen die Nase. 

So wächst er in den meisten Fällen gesellig  in Laubmischwäldern und muss keine Angst davor haben von fleißigen Pilzsammlern mit dem Maronenröhrling verwechselt zu werden. Ihn rührt man tatsächlich nur einmal an, es sei denn, man möchte ihn pilzahnungslosen Begleitern als kleine Geruchskuriosität präsentieren.

Doch wagt es einmal: Gebt euch  besinnungslos seinem Duft hin und sinniert darüber, wohin er euch trägt.

Schwefel, der Geruch der Hölle. Doch dies war nicht immer so. Schwefel und seine chemischen Verbindungen wurden in früheren Zeiten als Heilmittel genutzt, u.a. gegen die Pest. Und haltet euch fest. In noch früheren Zeiten war er verbunden mit Venus, der Liebesgöttin. Eigentlich mit Mefitis, der Göttin der schwefeligen Düfte. Diese Göttin wurde aber anscheinend mit Venus in einen Zusammenhang gebracht. Schwefel als Heilkraft, als Liebeskraft. Naja, zwischen Heilkraft und Liebeskraft eine Verbindung herzustellen, erfordert natürlich einiges Biegen und Brechen, aber warum nicht. So heilen die schwefeligen Ausdünstunngen, benebeln den Kranken und er verliert seine Sinne. Ist dies nicht auch der Fall - so erhofft man es sich zumindest .- in dem Sinnesverlust beim Anblick der Geliebten?

Gut, die positiven Assoziationen hat der Schwefel eingebüßt. Schuld daran ist wohl auch das erste Buch Moses, in dem geschildert wird, wie Sodom und Gomorrha durch Feuer und Schwefel zerstört wurden. Zumindest ahnen kann man, wie auch hier das Christentum in Abgrenzung zu alten Kulten und Traditionen neue Kulte schaffen möchte. 

Ein kurzer Schritt ist es dann, Schwefel mit Hölle und Teufel zu vereinen und nun schreckt auch der Schweffelritterling mit höllischen Vorahnungen. 

Nein, nicht mit mir. Das nächste Mal, wenn ich ihn treffe, gebe ich mich ganz seinem Duft hin und träume von Mefitis-Venus, benebele mich und werde mich den süßesten Visionen hingeben.