Goldene Milch

Milchlinge als Milchlinge anzusprechen fällt nicht besonders schwer. Sie sondern, wie es der Name schon sagt, Milch ab. Es gibt auch andere Gattungen, die milchproduzierende Arten unter sich haben, so z.B. die Helmlinge. Aber einen Milchling mit einem Helmling zu verwechseln erfordert doch schon ein sehr hohes Maß an Imkompetenz. Ansonsten haben die Vertreter der Gattung Laccaria sprödes Fleisch, und das Durchbrechen des Stiels ist von einem Knacken begleitet und hinterläßt keine ausfransenden Fasern, wie das bei anderen Pilzen der Fall ist. Also gut, Milchlinge sind einfach zu bestimmen. Dann jedoch wird es gehörig schwer. Die einzelnen Arten auseinanderzuhalten erfordert ein sehr organisiertes Vorgehen und muss sytematisch angegangen werden. Nicht jedermanns Sache, und am besten, man hat ein kleines Notizbuch bei sich,, um die Merkmale aufzuschreiben. Denn nach mehreren gefundenen Pilzen dieser Gattung, verschwimmen die einzelnen Merkmale mit der Zeit in der Erinnerung. Nun gut, was gilt es zu beachten? Als erstes die Milch und die kann einen schon wahnsinnig machen. Alles und jedes kleinste Deteil muss beachtet werden. Da wäre das Farbverhalten der Milch. Weiß, weißbleibend, gilbend, sofort gilbend, nach einer Minute gilbend, nach einer Stunde gilbend, grauend, sofort grauend, leicht grünlich blass grauend, stärker grünlichblau grauend usw. Man sieht, etwas kompliziert. Dann gibt es noch die Arten, deren Milch nur auf Taschentüchern gelbe Spuren hinterlassen und dies auch in unterschiedlicher Ausprägung.

Tja, wenn man dann schon die Art hätte. Nein, jetzt gilt es die Milch zu kosten. Ist sie mild, scharf oder bitter? Leicht bitter, stark bitter, fruchtig bitter, nach 10 Sekunden bitter usw. Das Spiel setzt sich fort bei den scharfen Arten. Sofort, mit leichter oder starker Verzögerung scharf? Scharf mit nussiger Note? Fruchtig scharf? Und zu allem Ungemach kommt noch hinzu, dass man sich nicht entscheiden kann. Ist das jetzt leicht oder mittel-scharf? Und so verbringt man  - ständig das Lecken wiederholend - viele Minuten bei einer Art, bis der Mund völlig taub geworden ist und die Spaziergänger sich fragen, welchen seltenen Fetischismus man dort auslebt. 

Dann muss man kosten und dieselben Geschmacksnoten (scharf - bitter - mild in all ihren Verzögerungsvarianten) notieren. Schließlich die makroskopischen Merkmale: Hutfarben, Stielbeschaffenheit usw. Sie können einen schon in die Bestimmungshölle führen, diese kleinen Laccarias.

Dabei spielt das für Speisepilzsammler alles keine Rolle. Ist eine Art mild, so ist sie essbar. Einfach, oder?

Und es gibt tatsächlich einfach bestimmbare Milchlinge. Einer davon ist der goldflüssige Milchling - Laccaria crysorrheus. Aussehen tut er wie ein Reizker (die orange Milch ausscheidenden Milchlinge - vorzügliche Speisepilze), aber seine Milch ist reichlich und weiß. Das Weiß wandelt sich aber binnen Sekunden in ein sattes Gelb, ein goldenes Gelb. Wachsen tut er bei Eichen. Eine elegante Erscheinung ist er, und wahrscheinlich macht er deshalb direkt auf sich aufmerksam. Es würde aber auch einer Majestätsbeleidigung gleichkommen, ihn von oben bis unten abzuschlecken. Nein, da gibt er sich lieber gleich zu erkennen.

Essbar ist er übrigens nicht, seine Milch ist scharf. Aber es gibt eine Möglichkeit, ihn essbar zu machen: das Silieren, was besonders die Osteuropäer praktizieren. Pilze werden in Salwasser gekocht, dann in Schichten zwischen Salz und Zucker eingelegt und das Ganze mit Sauermilch aufgefüllt. Einige Tage ruhen lassen und schon steht einem festlichem Mahl nichts mehr im Wege.  Ein gar nicht so aufwendiger Prozess, und die Pilze, die durch Silieren essbar gemacht werden, müssen anscheinend kulinarisch schon einiges zu bieten haben.  Also, im nächsten Jahr probiere ich es aus und berichte darüber.

 Der goldflüssige Milchling hätte sich bestimmt gefreut.

 

P.S.

Nicht dass jetzt jemand auf die Idee kommt, Knollenblätterpilze zu silieren. Nein!!! Silieren funktioniert gesundheitlich unbedenklich hauptsächlich bei Milchlingen und Täublingen (und das auch nicht bei allen Arten) Also, erst informieren, dann essen!