Ein Prost auf Ötzi
Will man den Birkenporling zu Heil- oder auch Genusszwecken benutzen, taucht man sozusagen in die archaischen Urzeiten des Menschen hinab. Bei Ötzi wurde er gefunden, und man geht davon aus, dass er ihn als Heilmittel eingesetzt hat. (Hat ja nur bedingt geklappt...) Schon im ersten Jahr, als ich mit dem Pilzesammeln anfing, hörte ich von ihm und beschloss ihn zu suchen. Schwer bestimmbar ist er nicht. Alles was man braucht ist ein kleines Birkenwäldchen oder ein Wald, in dem auch Birken stehen , möglichst alt oder auch abgestorben als Stamm auf dem Boden liegen dürfen, und schon steht dem Sammelerfolg eigentlich nichts mehr im Wege. Ah, Herbst sollte es sein und feucht. Also, Korb in die Hand, Messer einstecken und nichts wie hin in ein kleines Birkenteilwäldchen, das bei mir in der Nähe ist. Was soll ich sagen, reichliche Beute. Am Anfang noch etwas ungläubig (Ist er es wirklich?) betaste und schnüffele ich an ihm.Nein, kein Zweifel: Es ist der Birkenporling. Er riecht leicht säuerlich und, wenn er jung ist, gibt er beim Drücken leicht nach. Mit meinem Messer gehe ich nun von Stamm zu Stamm, halte Ausschau und schneide die schönsten und frischesten Exemplare ab. Nichts ist schöner, als das erste Mal einen Pilz gefunden zu haben, sei er auch noch so häufig wie der Birkenporling. Aufgeregt bin ich und stolpere mehr durch das Birkenwäldchen als ich gehe.
Die Verarbeitung zu Hause ist nicht zu schwer. Frische Exemplare lassen sich mit einem scharfen Messer recht leicht in Streifen schneiden, und diese müssen dann nur noch getrocknet werden. Ich benutze dafür einen Dörrautomaten, dessen Anschaffung sich wirklich gelohnt hat. Nun, danach die trockenen Stücke in einer Kaffeemühle zermahlen und schon steht dem Teegenuss nichts mehr im Wege. Sollte man meinen. Bitter wie Hölle soll er schmecken, und so bin ich etwas vorgewarnt und nippe nach 7- Minuten-Ziehzeit vorsichtig. Nichts, leicht pilzig angenehm. Mein Gott, habe ich nun doch einen falschen Pilz zubereitet? Ich vergleiche noch einmal Bilder und Merkmale und komme zu dem Schluss: nein, es ist schon der richtige Pilz. Doch, wo ist die Bitterkeit? Egal, drei, vier Monate genieße ich den so tatsächlich gut schmeckenden Tee und denke an Ötzi, bis ich im Internet auf die richtige Zubereitungsart stoße: 30 Minuten muss man ihn in leicht köchelndes Wasser geben, damit er seine sagenumwobenden Heilwirkungen entfalten kann. (Von Krebs über antibakterielle und imunsystemsteigernde Wirkungen, bis hin zu Magenproblemen reicht sein Einsatzspektrum.) Tja, alles falsch gemacht, aber geschadet hat es zumindest nichts. Also nochmal, jetzt aber richtig. Nach einer halben Stunde im kochenden Wasser probiere ich ihn: Holladiewaldfee, ja, bitter, bitter, bitter. Aber mit reichlich Honig durchaus apart. Und wann hat man schließlich die Möglichkeit, sich in archaische Vorzeiten des Menschen zu begeben?