Der lange und steinige Weg zur Pilzbestimmung
Zugegeben, das Seelenheil hängt nicht davon ab, jedem kleinen gefundenen Pilz einen Namen geben zu können. Manchmal hat das Verweilen in der Namenslosigkeit ja durchaus seine Reize. Hier nun aber war mein Ehrgeiz gepackt, ein Weg mit Tiefen und einem finalen Höhepunkt: Hypholoma udum, ein Name, der sich für immer in mein Hirn gebrannt hat. (Dass es einen postfinalen Absturz gab, wird im Post Scriptum ersichtlich; weshalb der Pilz nun auch Hypholoma elongatum heißt.) (Gut, es ist inzwischen zu eine weiteren Namensänderung gekommen; siehe PSPS)
Gefunden habe ich ihn in einem kleinen und jungen Kiefernforst in der Bröcke. Unzählige kleine und große Kuhröhrlinge (Suillus bovinus) schauten in ihren hellorangefarbenen Tönen aus dem Boden und dazwischen einige kleinere, die ich mir genauer anschaute. Die rötlichen Stiele waren weißlich genattert und die gerieften orangenen Hüte waren teilweise mit einem gelblichen, flatterigen und krausigen Rand versehen. Hübsch, ja, das waren sie. Bei dem Blick auf die Lamellen kam mir der Gedanke, einen Schwefelkopf gefunden zu haben, war mir aber nicht sicher. Grob gesagt gibt es zwei Arten von Schwefelköpfen: die, die auf Holz wachsen (und die bekannteren unter ihnen sind) und die, die auf Moos parasitieren. Hier nun schien es eine moosparasitierende Art zu sein. Zuhause versuchte ich mich zuerst alleine in meinem Bestimmungsglück, nahm einen Sporenpulverabdruck, sah mir die Sporen und die Zystiden der Lamellenschneide unter dem Mikroskop an. Tja, schön, aber was nun? Mit nur beschränkter Ahnung kann man auch leicht verunsichert werden. Die Zystiden der Lamellenschneide ähnelten etwas denjenigen, die ich bei der Gattung Psilocybe im Netz gefunden habe.
Immer wenn ich nicht weiter weiß, geht mein erster Schritt ins Internet, hier auf die Seite eines Pilzbestimmungsforums. (Ja, das gibt es.) Nette Leute tummeln sich dort, die den Pilzahnungslosen bei ihren Bestimmungen helfen. Als erstes wurde dort meine Bestimmung als Schwefelkopf in Zweifel gezogen und andere Gattungen vorgeschlagen, bis schließlich einer der Experten doch die Schwefelkopfvariante unterstütze. Meinem Einwand, ob es vielleicht doch auch Psilocybe sein könnte, wurde nicht widersprochen, nur gesagt, dass beide Gattungen eng verwandt seien. Schön: Psilocybe oder Schwefelkopf, immerhin eine gewisse Eingrenzung war das ja schon. Jetzt wollte ich es genauer wisssen: Ich suchte im Internet nach einem Schlüssel der Hypholoma-Arten und fand schließlich einen für Nordamerika. Ach, so unterschiedlich dürften die Pilze ja dort nicht sein. Raus kam Psilocybe longispora"(Auch in den Hypholoma-Schlüsseln tummeln sich Psilocybe-Arten), den es aber wohl tatsächlich nur in Nordamerika gibt. Bei den globalen Wanderungsbewegungen aber immerhin eine Möglichkeit. Man macht sich eben die Welt, wie sie einem gefällt.
Im Forum konnte man mir auch nicht mehr helfen, nur ein Buch wurde mir empfohlen: "Strophariaceae" von Norderloos, das wohl beste Buch zu den Träuschlingsverwandten, zu denen auch die Schwefelköpfe gehören. 80 Euro wollte ich dann aber doch nicht ausgeben und beließ die kleinen Pilze ungetauft ihrem Schicksal.
Zwei Monate später surfte ich etwas gelangweilt im Internet und schaute mir aus Spaß jenes besagte Buch noch einmal an. Und Schwups, kurz entschlossen, bestellte ich es mir.
Als es ankam, war ich positiv überrascht: ein wirklich schönes Buch, gut eingeteilt und durchdacht. Zwar ohne wirkliche Hoffnung, nahm ich mir die Pilze aus dem Kiefernforst vor, und, unglaublich: Ich hatte Erfolg. Hypholoma udum musste es sein. Noch immer ungläubig verglich ich alle Merkmale, alles passte. Kein Zweifel möglich. Mehrere Minuten streifte ich aufgeregt durch die Zimmer der Wohnung und fühlte mich wie der ungekrönte König der Pilzexperten.
Doch einen letzten Punkt gilt es noch zu klären: die Moosart, auf´der meine Pilze wuchsen. Hypholoma udum mag nur Torfmoose - "Sphagnum". Ist es das nun auch auf meinen Fotos? In einer nächsten Mußestunde werde ich mal ein Foto in einem Pflanzenbestimmungsforum posten. Wenn dann herauskommt, dass Hypholoma udum doch ein Steinpilz ist, gebe ich Bescheid.
P.S. Das Leiden nimmt kein Ende. Es kann nicht Hypholoma udum sein. Die Moose habe ich nun tatsächlich in einem Pflanbestimmungsforum gepostet. Kein Sphagnum. Heul. Es sind zwei Moose auf den Fotos zu sehen: einmal das Wald-Frauenhaar (Polytrichum formosum), dann noch das Rotstängelmoos (Pleurozium schreberi). Also, udum gestrichen. Jetzt lande ich bei Hypholoma elongatum, dem Sumpfschwefelkopf. Zwar bevorzugt er auch Sphagnum, aber freundet sich wohl gelegentlich mit Polytrichum an.
So, es reicht. Es ist Hypholoma elongatum. Bei neueren Erkenntnissen gibt es ein PSPS.
PSPS
So, jetzt habe ich es. Nochmals das erwähnte Buch ergriffen, nochmals alles durchgeschlüsselt, jetzt muss es stimmen. Hypholoma elongatum habe ich jetzt doch als falsche Bestimmung entlarvt. Das Habitat alleine passt nicht richtig. (sumpfig) Bleibt nur noch Hypholoma ericaeoides übrig. Auch wenn das nun alles nicht so klingt: Ich bin zu 98% sicher. Also machts gut und bis zum nächsten PS.