Die Mystik der blauen Stunde

Die Qualität der Fotos lässt zu wünschen übrig, was darin liegt, dass ich wackelnd im Auto sitzend den ISO-Wert bis zum Anschlag nach oben schraubte. Verbrannt sind sie, wie es wohl Fotografen ausdrücken würden. Trotzdem gefallen sie mir, da das Blau kühl und unheimlich wirkt. Betont wird diese Unheimlichkeit noch durch die Silouette des Baumes und der im Hintergrund zu erahnenden Hügel. Auch die helleren Lichtmomente der schon untergegangenen Sonne verleihen der Atmosphäre ein Schwanken zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Doch in die blaue Dunkelheit führen die Landstraßenmarkierungen, ja, eigentlich führen sie uns ins Nichts hinein.

Bekannt ist Ávila vor allem durch Teresa von Ávila, der spanischen Mystikerin aus dem 16. Jahrhundert. Besonderen Eindruck hat bei mir ihre Transverberationsvision hinteralssen, ein orgastisches Schauen und Fühlen Gottes. Ein goldener Pfeil wird ihr von einem flammenummäntelten Engel ins Herz gestoßen, in ihm herumgestochert und letztendlich wieder herausgezogen. Und in den Schmerzen, die sie fühlt, entsteht die höchste Lust bedeutende Liebe Gottes. So erfüllend ist schließlich die Erfahrung, dass sie hofft, der Schmerz würde nicht mehr vergehen. Ich weiß nicht, ob ein Masochist im Dominastudio ähnliche Erfahrungen macht, aber den lustvollen Schmerz gibt es ja tatsächlich.

Von der blauen Stunde auf der Landstraße geht jedoch eine andere Form von mystischer Erfahrung aus. Sie ist nicht gekleidet in den Lustschmerz des Schauen Gottes und auch kein flammendes Wesen kündet ein visionäres Erleben an. Suggerieren tun die Bilder eigentlich das genaue Gegenteil. Die nächtliche Landschaft verströmt Kühle, doch Vibrationen scheinen anwesend zu sein, wenn auch nicht im Subjekt des Schauens, so aber in den Lichtern des Himmels. Hier ist es wohl der Kosmos, der eine Vision in sein Wirken offenbart. Die Markierungen der Straße führen uns direkt in die Dunkelheit unter ihm, und es scheint, als ob ein eigenes lebendiges Wesen, das aus unterschiedlichsten Strahlen besteht, über uns existiert. Es macht fast den Eindruck, als ob es sich auf die Erde legen wollte, um alles in einem kühlen Leuchten zu umfangen. So erhält das Fahren in das Nichts hinein eine kosmische Dimension. Das Nichts verliert sein Bedeuten im Angesicht dieses dunklen Strahlens. Fast hoffte man, es würde auch das eigene Herz durchbohren und man könnte Lust in seinem Schmerz empfinden.