Let there be sound

Hinter der Kuranlage in Bad Bentheim breitet sich ein recht großes Laubwaldgebiet aus, in dem entlang des Hauptweges eine Art Waldlehrpfad eingerichtet wurde. Hauptsächlich findet man Erklärungstafeln zu Aspekten des Waldlebens und kleinere mit Scharnieren befestigte Tafeln, auf denen Fragen formuliert sind, die beantwortet werden, wenn man sie hochklappt. Hauptsächlich geht es bei ihnen um Zeichnungen von Tierspuren. "Weißt du welches Tier das ist?" Nein, keine Ahnung. "Das sind die Spuren des Wildschweines." Aha, ich mache mich auf die Suche nach Spuren, werde auch schnell fündig, doch eine Zuordnung gelingt trotz aller Hinweistafeln nicht. Einmal einen wirklich klaren Tatzen- oder Pfoten- oder Sonstwieabdruck zu finden, ist nicht so einfach. Auf der feuchten Erde verschmieren die Konturen und ob man es nun mit einem Wildschwein, einem Reh oder einem Yeti zu tun hat, ist nicht mehr auszumachen. Nur am Rande, um es endlich einmal loszuwerden: Im Bad Bentheimer Laubwald habe ich das erste Mal in meinem Leben Wildschweine in freier Wildbahn gesehen. Die Euphorie, die ich gespürt habe, ist so ungefähr vergleichbar mit den entzückten hysterischen Schreien bei einer "Whalewatchtour", wenn sich ein Buckelwal aus den Tiefen des Meeres schraubt. 

Nun gut, ich schweife ab. Worum es in diesem Artikel eigentlich gehen soll, ist das Klangobjekt, das Teil des Waldlehrpfades ist. In einem aus Holzstämmen gefertigten quadratischen Rahmen sind mit Metallketten verschieden lange Hölzer gespannt, gegen die man schlagen kann, um unterschiedlich hohe oder tiefe Töne zu erzeugen. Man kann sogar einfache Melodien klopfen, wenn man über genug Schnelligkeit und Geschicklichkeit verfügt. Nun gut, eigentlich denke ich, dass es nicht so sehr um eigentliche Klangerzeugung geht, sondern eher um die Bewusstmachung einer Einladung, in den Wald mit allen Sinnen zu treten. Hier nun ist die Einladung formuliert, den Wald mit dem Gehör aufzunehmen. Und das Hören auf die unterschiedlichen Klangfacetten dieses Lebensraumes ist erstaunlich. Wenn man nur darauf achtet, wird man eine Andersheit von Tönen wahrnehmen, die immer wieder durch neue Elemente neue Tonhorizonte eröffnet.

Gut, ich weiß, schnell rückt man hier in ein etwas gefühlsduselndes naturromantisierendes New Age-Gefilde, das den Naturraum a la "Karl-der Käfer-Gesumme" anthropomorphisiert.

Bewusst wird mir das jedes Mal, wenn ich Bekannten und Freunden von einem Album des Neuseeländers Graeme Revell erzähle. Es heißt "The Insect Musicians" und sein Klang wird (elektronisch verarbeitet) aus den Tönen von Insekten zusammengesetzt und komponiert, die Revell quer über den Globus verteilt aufgenommen hat. Ein wirklich beeindruckendes Werk, das aber wirklich rein gar nichts mit irgendwelcher Lagerfeuernaturromantik zu tun hat. Es sind Klänge, die, da so fremd, futuristisch wirken. Doch schon wenn das Wort "Insekten" fällt, zeichnet sich ein mitleidiges nachsichtiges Lächeln auf die Lippen des Gegenübers: "Ach, wie süß, Insekten, du hörst aber Sachen...." 

So ist es nun auch mit dem Hörraum Wald beschaffen: Gebt ihm eine Chance. Sein Tonpotential birgt wahrlich futuristische Paradiese und Höllen.