Formschöne Müslibecher

Der kerbrandige Napfbecherling - Tazetta cupularis - gehört zu der Familie der Feuerkissenverwandten - Pyronemataceae. Feuerkissenverwandte - welch ein Name, und wenn man sich den kerbrandigen Napfbecherling anschaut, fragt man sich schon, warum er zu dieser feurigen Familie gehören soll. Einige andere Vertreter haben durch Karotinoide rötlich gefärbte Fruchtkörper, was ja schon besser zu Feuerkissen passt. Nungut, etwas Feuriges eignet unserem Pilz nicht. Dafür weckt er andere Assoziationen. Die Außenhülle des Apotheciums (der schüsselförmige Fruchtkörper) ist kleieartig besetzt, die Innenhülle dafür glatt. Und welch ein treffender deutscher Artname: kerbrandiger Napfbecherling. Ein Napf ist ja gemeinhin ein Schüsselchen, in dem Speisen oder Getränke Platz finden. Das Woirt klingt schon etwas altertümlich und rustikal. Meistens wird es auch in einem Zusammenhang mit Tieren verwendet. Aber halten wir uns nicht bei dem Wort "Napf" auf, sondern betrachten das etwas näher, worauf es verweist. Die Fruchtkörper laden ja geradezu dazu ein, sie mit Essbarem oder Trinbarem zu füllen. Die kleieartige Außenhülle würde perfekt zu einem Müslibecher passen. Welch stilvollendetes Müsliessen - nur etwas für unsere gehobenen und distinguierten Kreise. "Haben Sie schon die neue Kollektion des Müslinapfbecherlings? Nein, noch nicht? Ach, Sie wissen gar nicht, wie die Müslinoten so fein akzentuiert in ihm zur Geltung kommen." Als Trinkbecher für Schnäpse wäre unser Pilz auch perfekt geeignet. Besonders pikant wäre es, wenn Taszetta cupularis nun auch noch hochgiftig wäre. Doch ich kann euch beruhigen. Er ist es nicht. Er gilt zwar als ungenießbar, aber einen kleinen Happen könnte man sicherlich problemlos hinunterschlucken, ohne dass einem schlecht würde. Ein kleiner Wermutstropfen muss nun aber noch genannt werden. Der kerbrandige Napfbecherling ist verdammt klein, was man, wenn man die Blätter auf den Fotos betrachtet, gut erkennen kann. Vielleicht sind sie dann doch eher für unsere Freunde, die Zwerge, geeignet und als Trinkutensilien einer dekadenten Zwergenorgie würden sie wirklich etwas hermachen.

Nun, Schluss jetzt aber mit dieser utilitaristischen Betrachtungsweise der Natur. Wenden wir uns den kleinen Fruchtkörpern lieber noch einmal als solchen zu. Der Rand älterer Exemplare ist tatsächlich oft kerbrandig" und ähnelt etwas den Zinnen einer mittelalterlichen Burg. Auf der Unterseite ist der Pilz leicht gestielt, was man ebenfalls gut auf einem der Fotos erkennen kann. Es gibt eine andere Art, mit der Terzetta cupularis leicht verwechselt werden kann: Terzetta catinus - der tiegelförmige Napfbecherling. Einige Menschen behaupten auch, dass eine sichere Bestimmung nur über das Mikroskop laufen könnte. Gut, ich habe mich etwas schlau gemacht, und eigentlich deutet bei unserem Pilz alles auf Terzetta cupularis hin. Einmal ist catinus recht selten (gut, ich weiß, kein wirkliches Argument, ihn auszuschließen) Dann hat catinus die Tendenz mehr länglich als rund im Alter zu werden. Und schließlich bildet er nicht so schöne gleichmäßige Kerbmuster am Rand aus. Also, alles deutet auf Tarzetta cupularis.

Da er so klein ist, kann man ihn auch leicht übersehen. Bei meinem Fund kam mir der Farbkontrast zwischen Boden und Fruchtkörpern zur Hilfe. Sonst wäre ich wahrscheinlich achtlos an ihm vorbeimarschiert. Ihm scheint ein Leben auf dem Waldboden, der lehmig oder sandig sein sollte, zu gefallen, denn er kommt in zwei Schüben zum Vorschein: im Frühling und im Herbst. Wahrscheinlich ist dies dem Saufverhalten der Zwerge geschuldet, und es würde mich nicht wundern, wenn bald auch der Winter als dritte Wachstumsphase ausgerufen werden muss.