Mushroom men

[...]

With sod gets moist with dewy flow

The fungus spores, they start to show

And if you're sharp and in the know

You may spy a different bein'


I lean my head on window pane

And stare out cat-eyed through the rain

And though the dim's an awful strain

I think I seen a mushroom man


Boletus, Boletus, I'm looking for Boletus

[...]

Don't touch the Amanitas


Look for Amanitas


Be it seven sons or seven trout

They came to see with throbbing doubt

The fungi as they pranced about

The ma-ma-ma-ma-mushroom men.


[...]

I think I seen a mushroom man

Les Claypool hat in meinem musikalischen Kosmos bisher nicht stattgefunden und wird es wahrscheinlich auch weiterhin nicht tun, obwohl der Song "Mushroom Men" durchaus Unterhaltungswert besitzt. Gestützt von einem treibenden monotonen Percussionrhythmus trägt er mit seiner etwas quäkenden Stimme die Veränderungen der Wirklichkeit vor. Beschwingtere elektronische Glockenspieltöne geben dem Ganzen einen etwas düster-humorvollen Anstrich, genauso wie der Mittelteil, in dem von "Boletus" und "Amanita" in einer hochgepitchten Stimmlage gesungen wird. Stammen tut das Lied von dem Album  "Of fungi and foe" aus dem Jahre 2009. Verdanken tun wir es dem Videospiel "Mushroom men" für Nintendo Wii und DS, für das Claypool die Musik schrieb, und die nun auf eben genanntem Album zu finden ist. Ich gebe zu, dass ich das Spiel nicht kenne, was aber für die nun folgenden Ergüsse unerheblich ist. Denn schauen wir uns etwas genauer an, worum es inhaltlich geht.

Es herrscht Feuchtigkeit, die Pilzsporen fliegen durch die Luft und falls man klug genug sei, wäre es möglich, ein anderes Wesen zu erblicken. Dunkelheit herrscht, was dazu beiträgt, dass Wirklichkeitskonturen sich auflösen. Dieses geschieht im Blick des lyrischen Ichs, das angestrengt vom Fenster aus nach draußen blickt. Und es passiert: "I think I seen a mushroom man." Dass die düster-humorvolle Musik bedrohliche Untertöne beinhaltet, wird nun auch auf textlicher Ebene deutlich. Der Feststellung, dass man "Boletus" sammele" wird eine Warnung hinzugefügt: "Don't touch the Amanitas." Boletus bezeichnet die Gattung der Röhrlinge, zu der auch der Steinpilz gehört und die viele leckere Pilze in ihren Reihen hat. (Dass es auch hier Giftpilze gibt, sei nur am Rande erwähnt.) Die Warnung vor den Amanitas ist die Warnung vor einer tödlichen Gefahr, da wohl hier auf den Knollenblätterpilz angespielt wird, der zur Gattung Amanita gehört. (Auch hier sei nur am Rande erwähnt, dass es bei den Amanitas durchaus geschmackvolle Speisepilze gibt.) Nunja, die Warnung wandelt sich zur Aufforderung: Such die Amanitas!! 

Dem durchaus lustvollen Spiel mit der Wirklichkeitsveränderung ist eine Bedrohung, ein Todesmoment, eingeschrieben. Die positiven Pilzkonnotationen der Hippyzeit haben sich gewandelt. "Die Mushroom men" haben die Fähigkeit, potentiell angstauslösend zu wirken, potentiell tödlich zu werden.

Robert Gordon Wasson, der amerikanische Bankier und Begründer der Ethnomykologie schiebt sich vor mein geistiges Auge. Sein Leben war geprägt von einer Art Epiphanie, der wir viel Wissen über die kulturelle Bedeutung von Pilzen verdanken. Wasson heiratete eine Russin und auf ihrer gemeinsamen Hochzeitsreise sammelte diese Pilze und kochte daraus ein Pilzgericht, das sie ihrem Mann vorsetzte. Wasson war entsetzt, Panik machte sich in ihm breit: Wen habe ich da geheiratet? Warum will sie mich töten? Doch er überwand sich, aß und überlebte. Dies war allerdings der Anlass dazu, sich Gedanken zu machen, warum Pilze in einigen Kulturen durchaus einen hohen Stellenwert besitzen, in anderen dagegen eher Furcht und Angst auslösen. Er teilte dementsprechend Kulturen in mykophile und mykophobe ein. Die amerikanische Kultur sei mykophob, was sich letztendlich auch aus den Textzeilen von "Mushroom men" herauslesen lässt. Eine russische Gruppe hätte das Unheilvolle der Pilzwelt sicherlich nicht zum Thema gemacht.     

Warum ist die amerikanische Gesellschaft nun mykophob? Meine persönliche Theorie ist das Herkommen aus einer puritanischen Tradition, die das Heil ja eher in ein "Oben" verlegt hat. Auswüchse der Erde - hier die Pilze - scheinen dann schon folgerichtig als dem Reich des Dunklen und Bösen angehörig. Wasson merkte, dass es kulturelle (und auch zeitbestimmte) Setzungen sind, die Pilze positiv oder negativ erscheinen lassen.

Nun, wenden wir uns wieder Les Claypool und den Pilzmännern zu und wenden das Lied in eine mykophile Richtung. Söhne und Forellen kommen mit klopfenden Herzen, um die Pilzmänner in all ihrer Pracht zu sehen. Gehen wir hinein in dieses Bild, es ist nur ein Schritt, und wir erkennen, wenn wir die Forellen bei der Hand nehmen, dass Pilzmänner sympathisch friedvoll unsere Nähe suchen.