Die Freuden des Winters
Auch wenn einen andere Menschen etwas fassungslos anschauen, wenn man im Winter mit einem Korb im Wald unterwegs ist, lohnt sich das Pilzesammeln in dieser Jahreszeit durchaus. Nicht zuletzt dank des Samtfußrüblings - Flammulina velutipes -, der hauptsächlich in den Wintermonaten fruktifiziert. Dabei, so konnte ich in einem Pilzforum lesen, ist eine genaue Artbestimmung des Samtfußrüblings nur mit Mikroskop möglich und er gehört zu einem sogenannten Samtfußrüblingskomplex, in dem sich ein paar Arten tummeln. Aber selbst bei mir hört da der Ehrgeiz auf, ihn noch weiter artspezifisch zu differenzieren. Der Samtfußrübling ist ein Samtfußrübling ist ein Samtfußrübling. Schluss und aus. Zu bestimmen ist er realtiv einfach. Zuerst einmal wachsen im Winter nicht so viele andere Pilze. (Obwohl man bei milden Temperaturen auch mal auf den Gifthäubling trifft; Vorsicht ist also angeraten.) Dann wächst er entweder auf noch lebenden, aber geschwächten Laubbäumen oder auf ihrem Totholz. Bisher habe ich ihn fast immer nur auf Holunder gefunden, jedoch besiedelt er auch Weiden, Eschen, Pappeln, Ulmen und manchmal auch andere Laubholzarten. Seine Hüte sind etwas klebrig und rötlich-gelb leuchtend. Etwas feuriges (flammula) Leuchten zeichnet ihn wahrhaftig aus. Sein leichtestes Erkennungsmerkmal ist der im Alter zunehmend schwarz werdende samtige Stiel.
Sein Geruch wird meisten mit pilzig umschrieben, obwohl er für mich auch immer eine leicht säuerliche Geruchsnote hat. Und sein Geschmack? Wundervoll. Eine Pilzsuppe mit ihm zubereitet kann eigentlich nur gelingen, und wenn draußen die Winterstürme toben, entfaltet er ein Aroma, das einen hoffen lässt, der Frühling möge niemals Einzug halten.
Doch nicht nur lecker ist er, nein, er gehört auch zu den sogenannten Heipilzen. Ihm wird nachgesagt, immunstärkend und krebshemmend im Körper zu wirken. Auch Blutdruck- und Cholesterin senkende Inhaltsstoffe soll er besitzen.
Und dann wartet er noch mit einigen Superlativen auf. In Japan unter dem Namen Enoki bekannt ist er mit 100000 Tonnen der am zweithäufigsten kultivierte Pilz. Platz eins nimmt da der Shiitake ein. Und dann ist er noch der erste überhaupt kultivierte Pilz. Um das Jahr 800 wurde er bereits in China angebaut, was bedeutet, dass er der erste Kulturpilz der Menschheit ist.
Tja, und noch ein Superlativ: Er ist der erste Pilz, der ins Weltall gereist ist. Er wurde auf die Space-Lab Mission D-2 mitgenommen, um den Einfluss der Schwerkraft auf das Wachstum der Pilze zu erforschen.
Dass Pilze und kosmische Reisen eng zusammengehören, ist ja allseits bekannt. Eine ganze Pilzgattung - Psilocybe - lockt mit dem Eintritt in kosmische Sphären. Vielleicht hätte man aus Huldigungsgründen lieber einen Vertreter dieser Gattung mit ins All genommen. Und obwohl ich über den Samtfußrübling nur Positives berichten kann und ihm auch nichts Böses will - diese Weltraumreise hat er sich dreist erschlichen.