Der Pilz für die Abstinenz
Einige Vertreter der Tintlinge haben die Fähigket, sich selbst aufzulösen. Autolyse wird dieser Prozess genannt. So der bekannteste Vertreter der Gattung, der Schopftintling. Die Lamellen und mit ihnen der gesamte Hut lösen sich in einer tintenartigen Flüssigkeit auf, in der die reifen Sporen auf den Boden fließen bzw. tropfen. Eine im Pilzreich einzigartige Art, für Fortpflanzung zu sorgen. Etwas von diesem Prozess merkt man auch den Glimmertintlingen auf den Fotos an. Am Rand zeigen etliche von ihnen schwarze Spuren, die den Auflösungsprozess anzeigen. Allerdings zerfließt der Glimmertintling - Coprinellus micaceus - nicht vollkommen, sondern findet irgendwie einen Kompromiss zwischen Überlebenswillen und Selbstauslöschung. Wenn ich mir die Fruchtkörper so anschaue, bin ich froh, nicht als Glimmertintling auf die Welt gekommen zu sein. Gerdezu quetschend und rüpelhaft drängend streben sie nach oben. "Rasig" wird diese Form des Wachstums genannt und tatsächlich tauchen sie manchmal rasenflächig an toten Stümpfen oder auf Erde über vergrabenem Totholz auf. Nadelholz besiedelt er nicht so gerne, ansonsten ist er überaus häufig und auch fast das ganze Jahr über auffindbar. Bestimmen kann man ihn relativ einfach, allerdings gibt es zwei Nachbararten, die verdammt ähnlich aussehen: der überzuckerte Tintling und der Weidentintling. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir die Sporen der Fotopilze unter dem Mikroskop anzuschauen und ihre Form deutet eigentlich zu 99 % auf den gemeinen Glimmertintling.
Nun, sei es wie es sei, haltet euch fest, er ist essbar. Und sollte man ihn mit den zwei Nachbararten verwechseln, kein Problem, auch sie sind essbar. Nun allerdings der wahrscheinliche Haken, weshalb ich ihn auch noch nie zubereitet habe. In Verbindung mit Alkohol wirkt er giftig. (Neuere Untersuchungen allerdings bezweifeln diese Giftigkeit wieder.)
Verantwortlich dafür ist ein Stoff namens Coprin, der das Enzym Acetaldehyd-Dehydrogenase hemmt, das für den Abbau des Acetaldehyds, das beim Abbau von Ethanol entsteht, verantwortlich ist. Und Ethanol ist ja schließlich Alkohol. Geraten wird allgemein drei bis vier Tage vor und dieselbe Zeit noch einmal nach der Pilzmahlzeit keinen Alkohol zu trinken. Macht zwischen sechs und acht Tagen. Tja, kein Pilz kann so gut schmecken, dass diese lange Zeit des Alkoholverzichts gerechtfertigt scheint. Deshalb auch kenne ich seinen Geschmack nicht.
Wie aber schon oben geschrieben, wird angezweifelt, ob der Glimmertintling tatsächlich Coprin enthält, wobei ich mir allerdings die Frage stelle, ob es denn so furchtbar kompliziert ist, eine chemische Substanz im Pilzkörper nachzuweisen. Anscheinend ja, oder vielleicht haben bisher auch nur die chemischen Volldeppen sich seiner angenommen.
Nun, so weit es nicht völlig geklärt ist, verzichte ich lieber auf den Pilz. Eine Coprinvergiftung ist zwar nicht lebensbedrohlich, aber Spaß sieht dann doch anders aus. Es kommt zu Hitzegefühlen, Schweißausbrüchen, Körperrötungen, Erbrechen, Herzrasen, in schlimmsten Fällen sei auch ein Koma nicht ausgeschlossen.
Nun, wenn er denn Coprin enthalten sollte, könnte man ihn perfekt für die Alkoholentwöhnung einsetzen. Ein Glas Bier gleich 4 Stunden reinste Panikgefühle. Naja, zum Glück hat die Natur ja das Marihuana wachsen lassen.