Der Eintritt ins Mittelalter

Bad Bentheim hat nicht nur psychoaktive Pilze zu bieten. Auf dem Weg über das Kurgelände zu dem großem Laubwaldgebiet, das sich hinter dem Kurzentrum erstreckt, liegt ein kleines abgezäuntes Hute- und Scheitelwaldgebiet, in dem u.a. Gallowayrinder eine alte Form der Viehwirtschaft am Leben erhalten. Hutewälde gibt es bereits seit dem Neolithikum und man trieb die Viehherden zum Weiden in sie hinein. 

Der Bentheimer Hutewald existiert seit dem 14. Jahrhundert und erhielt sich bis ans Ende des 18. Jahrhunderts. Nun wird er vom Tierpark Nordhorn unterhalten, um eine Form von Kulturlandschaft zu erhalten, die es so - zumindest in Deutschland - nicht mehr gibt. Klar, Wälder wurden gerodet, um Weiden zu schaffen. Doch das Bild der gemütlichen Kühe auf grünem Gras gab es früher nicht. Das Vieh wurde in die Wäder getrieben und dort fand es genug Nahrung, um reif für die Schlachtung zu werden. In Spanien hat sich diese Form des Wirtschaftens noch erhalten. In die sogenannten "Dehesas" werden Schweine getrieben, um sich mit Eichen zu mästen. Das Resultat: das iberische Schwein, "el jamón ibérico", der iberische Schinken. Junge Bäume im Hutewald haben eigentlich keine Chance. Ihre Triebe werden abgefressen und dadurch entsteht ein lichter halbverrotteter Wald, der zumindest in Sachen Ästhetik einiges zu bieten hat. Hinzu kommt, dass der Bentheimer Wald nicht nur als Hute-, sondern auch als Scheitelwald benutzt wird. Scheitel? Was ist das? Nun, es bezeichnet die Form der Abkappung der Äste der Bäume, die dann als Futter für die Tiere dienen. Resultat ist ein Wald mit vielfach verkrüppelten Bäumen. 

Auch der Boden - durch das Gewicht der Tiere - ist an vielen Stellen morastig und so verströmt die ganze Atmosphäre des Ortes etwas Krankes, das aber nicht abschreckt, sondern durchaus reizvoll ist.

Im gewissem Maße taucht man in eine alte Wirtschaftsform, und man kann sich in andere Zeiten versetzt fühlen. Wäre da nicht eine Bundesstraße von der ständig Motorenlärm hinüberschallt. Vielleicht gibt es eine App, die mittelalterliche Klänge produziert. Dann würde ich mir die Kopfhörer ins Ohr stopfen, den Gallowayrindern hinterherblicken und warten, ob nicht ein Pestkranker am Scheitelbaum festgebunden wird. Ich würde mich zu ihm setzen und falls ich mich ansteckte, wäre ja zum Glück das Kurzentrum in der Nähe.