Die schleimige Eleganz
Ich muss zugeben, dass der Pilz auf den Fotos ein besonders hübscher Vertreter seiner Artgenossen ist. Andere sind da schon weitaus unansehnlicher. Er aber hat sich wirklich in Schale geworfen, um einen guten Eindruck bei seinen Betrachtern zu hinterlassen. Der wurzelnde Schleimrübling - Xerula radicata - macht ja von seinem Namen her nicht gerade den attraktivsten Eindruck. Rübling alleine klingt durchaus schon nach einem recht grobschlächtigen Wesen, dazu dann das Attribut "schleimig", und man würde am liebsten einen weiten Bogen um ihn machen. Doch das alles tangiert den schleimigen Wurzelrübling nicht im Geringsten. Fast schon erhaben thront er auf seinem Laubbaumstumpf und rümpft die Nase über seine ordinäre Umgebung. Eine solitäre Erscheinung ist er, denn meistens findet man von ihm nur einen Fruchtkörper, manchmal auch zwei. Er liebt anscheinend die Einsamkeit, weshalb er sich auch mit diesem schleimigen Hut geschmückt hat. Er möchte es allen, die ihm zu nahe kommen, ins Gesicht schreien: Lasst mich in Frieden. Meine Güte, ein Hauch von Arroganz schwingt mit, und wahrscheinlich ist er eines der Hauptklatschthemen der übrigen Pilzwelt. "Hast du schon den fiesen, arroganten schleimigen Wurzelrübling auf dem Stumpf gesehen? Ich sage es dir, so ein eingebildeter Fatze. Hält sich für was besseres. Wenn der mir mal zu nahe kommt..." Zum Glück verhallt die letztgenannte Drohung folgenlos über dem Waldesboden. Unser Pilz hätte dafür wahrscheinlich auch nur einen locker abgeschüttelten Schleimtropfen als Kommentar übrig.
Erkennen kann man ihn recht leicht. Eine Besonderheit ist sein tief wurzelnder Stiel, der ihm auch den lateinschen Artnamen "radicata" - "wurzelnd" eingebracht hat. Essbar ist er auch noch, doch da an einem Fundort - wie schon oben gesagt - meist nur ein bis zwei Exemplare wachsen, lohnt sich ein Sammeln nicht wirklich. Es sei denn als Zutat zu einem Pilzmischgericht. Doch dafür kommt er mir doch zu schön vor, so dass ich ihm seine Einsamkeit nicht rauben möchte. (Naja, ich habe gut reden, schließlich habe ich den Pilz auf den Fotos abgebrochen. Dies werde ich mit seinen Artgenossen bestimmt nicht noch einmal tun.)
Zur Eleganz seiner Erscheinung trägt auch der völlig glatte Stiel bei, der im oberen Drittel wie poliert ausschaut. Ja, er hält etwas auf sich. Mögen sich doch die anderen Pilze im Dreck suhlen. Sein Reich sind da schon die höheren Sphären der Waldeseinsamkeit.