Wie still es im Wald ist


Wie still es im Wald ist 

Wie still es im Wald ist 

Wie still es im Wald ist 


Nur ein Specht klopft

Ab und zu an die Stämme

Hier guckt eine Totentrompete

Aus dem Moos

Liesel, fass mich an der Hand

Liesel, fass mich an der Hand


Die schönsten Buchenwälder

rauschen in Hessen.

Kunst und Pilze gibt es doch

Nicht mehr für möglich Gehaltenes hat sich nun doch endlich materialisiert: Kunst und Pilz gibt es, gab es, hält sich jedoch vor meinen Augen so gekonnt versteckt, dass ich es  - wie die begehrtesten Speisepilze - wohl ständig übersehe und übersah. Ein Freund musste mich erst auf die Tödliche Doris und ihr Lied "Wie still es im Wald ist" bringen. (Hören kann man es, wenn man den Titel des Gedichtes/Liedes anklickt.)

Nach diesem Lied ist der Wald nicht mehr der Wald, den wir kennen. Er verwandelt sich in einen Hort des Grauens und wohl dem, der seine Liesel dabei hat, Dabei - wenn man jetzt nur die Verse liest - fängt das Gedicht noch recht romantisierend an. Oder man könnte es zumindest so verstehen. "Wie still es im Wald ist/Nur ein Specht klopft ab und zu an die Stämme" - wer wäre nicht gern dabei. Doch in der Präsenz des "Hier" wird die romantische Stimmung hinwegposaunt. "[E]ine Totentrompete guckt/Aus dem Moos." und der Schrecken ist nun auch nicht mehr aus den Verszeilen zu verscheuchen. Was bleibt ist die verängstigte Hinwendung an Liesel, das lyrische Ich an die Hand zu nehmen. "Die schönsten Buchenwälder/rauschen in Hessen" versucht noch einmal romantisierend kühn den Wald in seine Rechte zu versetzen - doch vergeblich. Hier sind es die wohl nicht romantischen Schauer der nackten Existenz des Menschseins, die rauschen.

Wenn man nun die Musik mit hinzuzieht, ist das Rauschen ein eintöniges Streichen auf einer Bassseite, in das sich wiederholdende disharmonische Tonfolgen von Streichern und  Bläsern förmlich fräsen. Die Stimme des Sängers wirkt gehetzt, das Entsetzen hat sich seines Kehlkopfes bemächtigt - nein, die Bilder, die er sieht, möchte man nicht sehen. Aber er zwingt uns hinein in seine Waldeswelt. Nicht nur als er die Totentrompete sieht, überschlägt sich förmlich seine Stimme. "Lauf weg", möchte man ihm zurufen.  Am Ende ertönt geisterhaft wie aus dem Off die Stimme, die von den schönsten Buchenwäldern in Hessen spricht.

Dadaistisch kommt dieser Text daher, zusammen mit der Musik wirkt er wie eine kleine Performance, unsere Waldesidylle in Fetzen zu zerreißen. Das Rauschen packt unsere Eingeweide, die Bläser und Streicher stechen in unser romantisches Herz. 

Die Inkarnation des Schreckens ist schließlich die Totentrompete. Ich kenne sie leider (oder zum Glück) nur von Bildern; das norddeutsche Tiefland scheint sie zu meiden. In einem schwarzen Trichter, trompetengleich, kommt sie aus dem Moos der Buchenwälder. (Auch Eichen mag sie.) Als schwarzes loderndes Fanal durchbricht sie die farbige Laubschicht und kündet und kündet von den Schattenseiten in uns. Und ich weiß: Mein nächster Waldgang wird seine Unschuld verloren haben. Wenn nicht die Totentrompete, so wird mich das Klopfen eines Spechtes in die Abgründe der Furcht hinabtreiben. Liesel, fass mich an der Hand!!!