Dick und rot und schwarz
Als Atrribute fehlen noch klein und breit und wir hätten schon eine perfekte Beschreibung des dickblättrigen Schwarztäublings - Russula nigricans. Er kommt gesellig vor, und an den Stellen, an denen er wächst, findet man fast immer eine recht beträchtliche Anzahl von Fruchtkörpern, so dass der Eindruck entsteht, es hier mit einer Versammlung der Weightwatchers zu tun zu haben. Doch leiden scheinen sie unter ihrer Gedrungenheit nicht, ganz im Gegenteil bahnen sie sich selbstbewusst ihren Weg aus dem Boden und schieben jedes Hindernis robust zur Seite. Ja, legt euch besser nicht mit ihnen an.
Dabei ist er an sich recht anspruchslos. Weder bevorzugt er einen bestimmten Boden (nun ja, tendenziell mag er wohl schon saure Böden lieber) noch ist er sehr wählerisch bei der Wahl eines bestimmten Baumsymbiosepartners. Er geht eine Ektomykorrhiza mit Fichten, Tannen, Birken, Buchen, Hainbuchen und Eichen ein. An der Stelle, an der die auf den Fotos zu sehenden Schwarztäublinge wuchsen, standen sowohl Buchen als auch Fichten, so dass es nicht zu entscheiden war, welchem Baum der Pilz nun sein Leben verdankte.
So dick, gedrungen und dickblättrig (sic!) ist er, dass man zuerst einmal gar nicht vermutet, einen Täubling vor sich zu haben. Doch ein Fingerstrich über die Lamellen verrät ihn direkt: Sie splittern wie es nur die Lamellen der Täublinge können, allerdings muss man bei Russula nigricans schon etwas Druck ausüben, um dies Splittern zu bewerkstelligen. Nicht umsonst ist ja "dick" schon in seinem Namensepitheton aufgeführt und tatsächlich macht er diesem alle Ehre. Sein Fleisch ist sehr dickfleischig, weshalb auch einige Autoren meinen, dass er, obwohl essbar, doch ein sehr minderwertiger Speisepilz sei. Vielleicht haben wir es aber auch nur mit einem perfiden Vorurteil gegen Übergewichtige zu tun, denn andere Quellen (die toleranteren) bezeichnen ihn als ausgezeichneten Bratpilz. Nun, als ich ihn fand, hatte ich seine Minderwertigkeit im Kopf, so dass ich keine Küchenexperimente mit ihm durchführte. Jetzt könnte ich mich, um dem Farbenspiel des Täublings zu huldigen, schwarz ärgern, es nicht getan zu haben. Nunja, der Herbst ist ja zum Glück nicht ausgestorben.
Sein Farbenspiel ist ein wirklicher Hingucker. Die verschiedenen Grau-Schwarztöne seines Hutes kontrastieren wunderschön mit seinem weißen Stiel und den im jungen Stadium seiner Existenz gelblichen Lamellen. Berührt man den Pilz etwas fester und verletzt ihn gar, verfärbt er sich am Hutrand und am Stiel weinrötlich, was auf einem der Fotos gut zu sehen ist. Das lateinische "nigricans" verweist nun darauf, dass sich die roten Farbtöne nach einiger Zeit schwarz verfärben - nomen ist hier tatsächlich omen.
Selten genug für Täublinge ist er leicht bestimmbar - allein seine dicken Lamellen verraten ihn direkt.
Und eine besondere Eigenheit offenbart er, wenn man nur etwas beharrlich sucht. Durch seine Dickfleischigkeit ist auch sein Verwesungsprozess sehr verlangsamt und über Wochen hinweg kann man schwarze Schwarztäublingskadaver im Wald finden. Diese Kadaver nun werden von anderen Pilzen, den sogenannten Zwitterlingen - Asterophora -, besiedelt. Ein wirkliches Schauspiel und die Suche nach ihnen lohnt jede noch so harte Anstrengung. Die kleinen weißen und mehlig-verstaubt wirkenden Zwitterlinge bilden einen starken Kontrast zu der Schwärze ihres Wirtes, so dass, wenn man vor ihnen steht, es nicht leicht fällt, die passenden Worte zu finden. Es ist einfach wunderschön.