Die Säufernase
Den schönen Namen Säufernase teilt sich der Stachelbeertäubling - Russula queletii - mit anderen Täublingen, die einen ähnlich rot gefärbten Stiel besitzen. Gott, was soll man auch außer Saufen tun, wenn man so tage- und nächtelang im Wald herumsteht und darauf wartet, dass die Sporen reif werden, um danach in Verwesung überzugehen. Da kann man es ihm doch nicht verdenken, wenn er mal einen zu viel gepichelt hat.
Der Stachelbeertäubling ist eigentlich der erste Täubling, den ich wirklich bewusst wahrgenommen habe. Das liegt an dem Sammelgebiet, in dem ich unterwegs bin, denn schon am Anfang eines größeren Fichtenbestandes kommen seine Fruchtkörper auf einem schmalen Grasstreifen zwischen Wald und Weg recht zahlreich hervor. Bis ich dann allerdings einen Namen für ihn gefunden hatte, hat es doch einige Zeit gedauert. Und das lag - neben meinen mykologischen Fähigkeiten - in der Gattung Täubling begründet. Täublinge an sich sind nicht schwer zu erkennen. Ihre Lamellen sind sehr spröde, und wenn man mit dem Finger über sie streicht, zerbrechen und zerbröseln sie. (Es gibt einen Ausnahme: der Frauentäubling) Wenn dann noch der Stiel nicht fasert, sondern mit einem schönen Knacken entzwei gebrochen werden kann, ist jeder Zweifel beseitigt. Nun allerdings fangen wie bei den Milchlingen die eigentlichen Probleme an, wenn man sie mit einem Namen versehen möchte. Zu nennen ist hier erst einmal die Schwierigkeit, dass die Vertreter einer Art doch sehr unterschiedlich aussehen können. Um bei dem Stachelbeertäubling zu bleiben: Neben den roten Farbtönen kann er auch violettfarben, bräunlich, ockerfarben, rosaockerlich und so weiter daherkommen. Manchmal ist auch der rötlche Stiel nicht da, ein Abstinenzler, was ja auch bei Menschen gelegentlich zu beobachten ist.
Dann kommen die weiteren Schritte zur Täublingsbestimmung an die Reihe. Zuallererst sei hier die Geschmacksprobe zu nennen: Ist der Pilz scharf, bitter, mild? In welchen zeitlichen Abständen nimmt man die Schärfe oder Bitterkeit wahr?
Dann kommt es zum Abziehen der Huthaut: Ist sie gar nicht, zu einem Drittel, zur Hälfte oder zu zwei Drittel abziehbar?
Zu Hause dann das Sporenpulver. Und hier ist dann schon der Punkt erreicht, an dem man den Täubling am liebsten im Müll entsorgen würde. Bei Täublingen gibt es gefühlt um die 100 Farbnuancen für das Sporenpulver, und im Internet kann man sich Farbtabellen herunterladen. Leckomio, unterscheidet mal hellockerlich von zartockerlich oder von gelbockerlich usw. (Die Namensgebung ist hier frei erfunden)
Ebenfalls kann man Chemikalien auf das Fruchtfleisch träufeln: Besonders beliebt und bedingt erfolgsversprechend: Guajak, Phenol, Eisen(II)sulfat, manchmal Lugol und Ammoniak und was es sonst noch so geben mag. Die Chemikalien verursachen Farbveränderungen im Fruchtfleisch, die manchmal zur Bestimmung beitragen können. Ich betone: manchmal. Denn hier kommt mal wieder die Farbunterscheidungsfähigkeit jedes Einzelnen zu tragen. Ist das nun lagunenblau oder doch marineblau oder gar lagunengraugrün? Yeah, das rockt.
Aber der Stachelbeertäubling macht es einem dann doch nicht so schwer. Denn ein wichtiger Hinweis gibt sein Geruch: Er riecht tatsächlich nach Stachelbeeren. Wenn man dann noch den Standort berücksichtigt - er ist an Fichten gebunden - und das andere so halbwegs stimmt, dann heißt er Russula queletii.