Es weihnachtet

Wenn uns doch dieser Pilz den Gefallen tun würde, im Dezember zu wachsen, er wäre der perfekte Weihnachtspilz. Doch schon im Oktober und November, wenn man ihn findet, schwelgt man in der olfaktorischen Welt der Weihnachtsbäckerei. Der Riesenchampignon - Agaricus augustus - riecht so angenehm nach Marzipan und Bittermandel, dass man schon im Wald am liebsten in ihn hineinbeißen würde. Doch zügelt euch lieber und hebt ihn euch für ein leckeres Pfannengnericht auf. Zwar verliert er gebraten von seinem Marzipangeruch, ein vorzüglicher Speisepilz ist er trotzdem. Doch einen kleinen Wermutstropfen gilt es zu erwähnen. Man sollte nicht zu viele von ihm verspeisen, da er, wie andere wilde Champignons auch, Cadmium anreichern kann, was für die Gesundheit dann doch nicht ganz so zuträglich ist. Allerdings schaden ein paar Mahlzeiten im Jahr nun auch nicht wirklich. (Über bestimmte Gifte lacht man als passionierter Raucher dann auch eher.)

Doch noch eine andere Gefahr ist zu erwähnen. Probiert man ihn, wird man für die Zuchtchampignons der Supermärkte nur noch ein mitleidiges Lächeln übrig haben und man läuft Gefahr, bald für einen arroganten Snob gehalten zu werden: "Also, Zuchtchampignons? Ich weiß nicht. Der Geschmack des Agaricus augustus ist da für mich doch viel feiner und in seinen Geschmachsnuancen viel ausdifferenzierter. Aber klar, kauf sie nur. Für deinen Fastfood-Haushalt genau das Richtige." Tja, so wird man bald keine Freunde mehr haben.

Wie sein lateinischer Name schon verrät, ist er ein wahrer kaiserlicher Pilz. Er wird sehr groß, aber man sollte nicht den Fehler begehen, ihn mit dem Messer abzuschneiden. Die Exemplare, die ich bisher gefunden habe, steckten alle sehr tief in der Erde, und nur der Hut und ein kleiner Teil des Stiels schauten aus dem Boden. Wie erstaunt war ich, als ich ihn aus der Erde herausdrehte. Er nahm kein Ende und schon mit 2-3 Fruchtkörpern kann man eine kleine Familie ernähren. Verwechslungen dürften eigentlich nicht vorkommen. Er ist allein durch seine Größe und die schuppige Huthaut gut zu erkennen. Auch gilbt er, wenn man ihn etwas fester berührt und sein Hut ist flach eingedrückt.

Ich hatte eine Stelle gefunden, wo er regelmäßig wuchs. Und die Katastrophe kommt im nächsten Satz. Alle Bäume an diesem Ort wurden in diesem Jahr gerodet und der Boden mit schweren Maschinen förmlich umgepflügt, was mich in eine tiefe Depression hineingetrieben hat. Man hat ja so seine Pilzstellen, an denen bestimmte Pilzarten wachsen und die man gezielt aufsuchen kann, wenn man essbare Pilze sammelt. Und mein Ort des Riesenchampignongs wurde zum Schauplatz der wüstesten Zerstörung, zu der die Forstwirtschaft fähig ist. Es gilt eine neue Stelle zu finden, denn auf diesen Pilz möchte ich auf meinem Speiseplan nicht mehr verzichten wollen.