Es werde Feuer!
Feurig kommt er tatsächlich daher, der rotschuppige Raukopf - Cortinarius bolaris -, wobei ich zugeben muss, dass das gefundene Exemplar wirklich besonders farbenprächtig ist. Andere Artvertreter sind da doch etwas zurückhaltender und begnügen sich mit gelblich-orangenen Farbtönen. Unser Pilz dagegen lodert in gelb-orange-weiß-rot-braun, und wer weiß, wen er anlocken will oder wem er leuchtende Warnfarben entgegenschleudern möchte. Insgesamt stellt sich mir zuweilen die Frage, ob das breite Spektrum an Farben im Pilzreich nicht auch eine biologische Funktionalität besitzt. Warum sonst leuchten einige rot, andere gelb, ander wiederum weiß oder blau? Werden vielleicht Tiere angelockt, die so unfreiwillig bei der Sporenverbreitung helfen? So ganz weit hergeholt scheint mir letztere Frage nicht zu sein, denn dem leidgeprüften Speisepilzsammler ist es eine wohlbekannte Tatsache, dass einige Pilzarten besonders bei Schnecken durchaus beliebt sind. Und frustrierend ist es tatsächlich, wenn man feststellt, dass wunderschöne essbare Täublinge schon dem Fraß dieser Tierchen zum Opfer gefallen sind. Auch unser Raukopf ist an einer Seite des Hutes etwas angenagt, wobei ich jetzt nicht mehr sicher bin, ob dies wirklich einer gierigen Schnecke anzulasten ist.
Eigentlich könnte man ja eine recht einfache Untersuchung durchführen, die darin besteht, den Kot der Schnecken auf Pilzsporen zu untersuchen. Wenn man sie dort nachweist, wäre zumindest geklärt, dass diese Tiere zur Verbreitung der Sporen beitragen. Dann müsste man nur noch die Pilzfarben mit der Sehfähigkeit und Farbwahrnemungskraft der Schnecken abgleichen und man hätte Pilzfarben als biologisch funktional definiert. (Ha, wahrscheinlich gibt es diese Untersuchungen schon längst.)
Aber nunja, man muss natürlich nicht alles funktional betrachten. Erfreuen wir uns lieber der Erscheinung des rotschuppigen Raukopfes. Wie der Name schon sagt gehört der Pilz zu den Rauköpfen, einer Untergattung der Schleierlinge. Und die äußere Strahlkraft, die unser Pilz besitzt, korreliert mit einer Fähigkeit der Rauköpfe, der das Leuchten in den Pilzleib eingeschrieben ist: Sie besitzen fluoreszierende Substanzen, die unter UV-Licht gelb bis blau leuchten. Fantastisch. Leider konnte ich das noch nicht ausprobieren, denn zu meiner normalen Pilzsammelausrüstung gehörte bisher noch kein UV-Licht.
Wenn man Cortinarius bolaris finden möchte, sollte man einen Laubwald mit Buchen und Eichen aufsuchen, obwohl er gelegentlich auch unter Birken und sogar im Nadelwald vorkommen kann.
Essen sollte man ihn nicht. Er gilt als giftverdächtig und könnte das hochtoxische Orellanin enthalten, das in anderen Rauköpfen zu finden ist. Mit Orellanin ist nicht zu spaßen: Es greift die Nieren an und kann zu ihrem Ausfall führen. Rettung gibt es dann nur noch durch eine Nierentransplantation.
So sind wir am Ende wieder beim Farbenspiel´unseres Pilzexemplars angekommen: Es warnt und zeigt es allen an: Esst mich nicht, in mir ist feurige Kraft, die euch zersetzen wird.